Was wirklich erlaubt ist

Mit der 20. StVO-Novelle wurde diese Bestimmung für einspurigen Kfz eingeführt.
Im §12 Abs.5 der StVO steht unter anderem: „Müssen Fahrzeuge vor Kreuzungen, Straßenengen, schienengleichen Eisenbahnübergängen und dergleichen angehalten werden, so dürfen die Lenker einspuriger, später ankommender Fahrzeuge nur dann neben oder zwischen den bereits angehaltenen Fahrzeugen vorfahren, um sich mit ihren Fahrzeugen weiter vorne aufzustellen, wenn für das Vorfahren ausreichend Platz vorhanden ist und die Lenker von Fahrzeugen, die ihre Absicht zum Einbiegen angezeigt haben, dadurch beim Einbiegen nicht behindert werden...”

Dieses „Vorbeischlängeln” oder „Vorschummeln” von Motorrädern gibt fast täglich Konflikte mit Autofahrern. Auch wenn es sich langsam unter den Dosentreibern herumgesprochen hat, so ist vor allem im Frühjahr vermehrt mit Problemen zu rechnen, da sich die Autofahrer erst wieder daran gewöhnen müssen. Aber natürlich ist das - vor allem bei Kreuzungen - rechtlich völlig in Ordnung. Allerdings dürfen dabei andere nicht behindert werden und es muss auch genügend Platz fürs Vorbeischlängeln vorhanden sein.
Und hier hört man nun die verschiedensten Aussagen. Am häufigsten zitiert wird wohl die Meinung eines Hrn. MR Grundtner (den genauen Text dazu findest du hier - er wird in einem eigenen Fenster geöffnet).

Hier ein Beispiel aus der Praxis

Praterstraße 32, 2. Bez. Wien; Fahrtrichtung Praterstern. Ampel steht auf rot, auf den 2 Geradeaus-Fahrstreifen halten einige Autos, Linksabbiegestreifen frei. Auf dem Abbiegestreifen vorgefahren, schräg vor das erste Auto hingestelllt und angehalten. Bei Umschalten der Ampel weitergefahren. Es folgten Anzeigen wegen:
1. § 38 Abs.2 lit. a StVO 1960 (= weggefahren ehe es grün war) = 84,-- Euro
2. § 9 Abs. 6 StVO 1960 (= Richtungspfeil missachtet, weil ja gerade weitergefahren) = 49,-- Euro
3. § 9 Abs. 1 StVO 1960 (= Sperrlinie überfahren) = 70,-- Euro

Natürlich habe ich Einspruch erhoben. In diesem hab ich mich unter anderem auf Aussagen aus dem genannten Text berufen (etwa Pkt. 1: Ob Bodenmarkierungen zur Kennzeichnung von Fahrstreifen vorhanden sind, ist nicht von Bedeutung. Das Vorfahren ist ein Sonderfall des Vorbeifahrens. Oder Pkt. 4: Der Lenker eines einspurigen Fahrzeuges darf zB auf einem Fahrstreifen, auf dem Richtungspfeile zum Rechtseinbiegen vorhanden sind, vorfahren und dann im Zuge des Vorschlängelns auf dem Fahrstreifen mit Richtungspfeilen zum Geradeausfahren wechseln. Er ist nicht strafbar!)
Weiters habe ich erklärt, dass es unmöglich wäre, die Sperrlinie zu überfahren (gemeint ist das letzte, durchgehende Stück der Trennlinie zwischen Abbieger und Geradeausspur), wenn da Autos stehen, denn da müsste ich beim Zurückfahren auf die Geradeausspur in ein Auto fahren. Und das mit dem Wegfahren, ehe die Ampel grün zeigte ist sowieso eine andere Geschichte.
Ich erklärte auch, dass ich mit vielen Bikern gesprochen hätte, welche eigentlich alle genau so gehandelt hätten - und täglich handeln, dass dies gängige Praxis sei ....

Letztendlich ging die Sache bis zum UVS (und kostete mich 110,-- Euro). Dort wurde mir auch dezidiert gesagt, dass Richtungspfeile sehr wohl zu beachten sind, dass ein „vorne aufstellen” nicht meint, dass die Haltelinie überragt werden darf, und Sperrlinien natürlich auch zu berücksichtigen sind (wobei sie beim Vorschlängeln überragt, nicht aber überfahren werden dürfen!).
Für mich ergibt sich daraus, dass der ganze Paragraf mit dem Vorschlängen eigentlich ein Witz ist, denn wenn man sich wirklich genau daran hält, gibt es nur alle Jubeljahre eine Situation in der man gesetzeskonform nach vorne fahren darf.

Noch ein Tipp an die Wiener Biker: An besagter Stelle wird schwerpunktmäßig sehr oft kontrolliert (hat der anzeigende Beamte bei der UVS-Verhandlung gesagt. Auch dass da täglich bis zu 20 Biker zur Anzeige gebracht werden)! Die Polizei steht dann Richtung Praterstern an der rechten Seite (gerade Hausnummern) auf Höhe der Tempelgasse. 

Edit, April 2017
Neuere Erkenntnisse zur Causa gibt es hier (die NÖN haben den ÖAMTC-Juristen befragt).